Europäischer Gerichtshof: Im grenzüberschreitenden Versandhandel gilt die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute entschieden, dass die vom deutschen Gesetzgeber vorgenommene Ausdehnung der derzeit in § 78 Arzneimittelgesetz geregelten Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel für ausländische Versandapotheken europarechtswidrig ist. Die Entscheidung betrifft ausschließlich den grenzüberschreitenden Versandhandel mit Rx. Die Entscheidung des EuGH betrifft nicht die Preisbindung in Deutschland. D. h., deutsche Apotheken haben unverändert die Rx-Preisbindung zu beachten. Die Apothekerkammer Berlin wird alle gebotenen Mittel einsetzen und wie bisher sowohl wettbewerbsrechtlich als berufsrechtlich gegen Rx-Boni vorgehen. Die Kammer geht davon aus, dass auch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) als Aufsichtsbehörde mit Untersagungsverfügungen der Rechtsordnung Geltung verschaffen wird. Denn es geht nicht lediglich um wirtschaftliche Fragen, sondern um die Systemfrage, die Erhaltung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung.

Interessierte Kreise haben bereits ein Fragezeichen hinter das deutsche Preisrecht gemacht. Noch steht dahinter aber ein Ausrufezeichen: Die Arzneimittelpreisverordnung gilt!

Das Gewähren von Boni für Rezepte verstößt gegen §§ 2, 3, 14 Abs. 2 Nr. 2 der Berufsordnung der Apothekerkammer Berlin i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Heilmittelwerbegesetz, § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 Arzneimittelgesetz und § 1 Abs. 1 und 4, § 3 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelpreisverordnung.

Die Kammer fordert alle Berliner Apothekenleiterinnen und Apothekenleiter auf, sich rechtskonform zu verhalten und damit den nun beginnenden politischen Gestaltungsprozess zu unterstützen.

Das werden wir tun.

Die ABDA und die Kammern und Verbände in den Ländern werden alles daran setzen, dass die jetzt eingetretene Situation durch den Gesetzgeber korrigiert wird. Auf dem Deutschen Apothekertag in München haben vergangene Woche die Vertreterinnen und Vertreter aller anwesenden Parteien (CDU/CSU, SPD, Die Grünen, Die Linke) erfreulich deutlich und übereinstimmend zum Ausdruck gebracht, der deutsche Gesetzgeber werde eine EuGH-Entscheidung als Auftrag verstehen, der Bevölkerung durch eine Gesetzesänderung europarechtskonform weiterhin eine bestmögliche, flächendeckende und wohnortnahe Arzneimittelversorgung rund um die Uhr zu garantieren. In diesem Zusammenhang wird sicher vorrangig das bereits vom EuGH als europarechtskonform festgestellte Rx-Versandverbot zu diskutieren sein. Der Deutsche Apothekertag hat hierzu eine Resolution verfasst. 

Zum Hintergrund:

Nach einer Klage der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale) hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf dem EuGH im März 2015 die Frage vorgelegt, ob es mit europäischem Recht vereinbar sei, wenn die in Deutschland geltende Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel auch auf Anbieter aus anderen EU-Mitgliedstaaten angewendet wird, die solche Medikamente nach Deutschland versenden. Bislang haben sowohl der Gesetzgeber als auch der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes in Deutschland diese Frage ausdrücklich bejaht. Die geltende Arzneimittelpreisverordnung dient dem Interessenausgleich aller Beteiligten: Den Patienten schützt sie davor, dass seine Notlage durch überhöhte Preise ausgenutzt wird. Feste Preise machen außerdem das Sachleistungsprinzip der Krankenkassen erst wirklich möglich. Auch Steuerungs- und Kostendämpfungsmechanismen wie Zuzahlungen und Festbeträge sind ohne transparente und bundeseinheitliche Preise für rezeptpflichtige Arzneimittel nicht denkbar. Die Arzneimittelpreisverordnung verhindert außerdem destruktive Wettbewerbsformen und sichert damit eine flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch ein Netz wohnortnaher Apotheken.

Weitere Informationen unter www.abda.de

AK Berlin, 19.10.2016

 

 

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