Umgang mit Rezeptfälschungen in der Apotheke

Apotheken werden wiederkehrend mit gefälschten Rezepten konfrontiert. Hierzu erreichen uns immer wieder Anfragen wie „Müssen wir den Vorgang bei der Polizei anzeigen?“ und „Wie können wir die Kolleginnen und Kollegen in den anderen Apotheken warnen?“ Im Folgenden finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Umgang mit Rezeptfälschungen.

Was wird gefälscht und welche Hinweise gibt es?

Rezeptfälschungen haben häufig das Ziel,  Arzneimittel mit hohem Sucht- und Missbrauchspotenzial zu beschaffen. Beliebt in der „Fälscherszene“ sind z. B. Benzodiazepine und Z-Substanzen, Schmerzmittel wie Tramadol und Tilidin, Psychopharmaka und Hormone wie Testosteron und Somatropin. Zunehmend werden aber auch Rezeptfälschungen über andere, oft hochpreisige Arzneimittel ohne erkennbares Missbrauchspotenzial vorgelegt.

Mitunter machen Rezeptfälscher Formfehler, die allerdings auf Privatrezepten oft schwerer zu erkennen sind, als auf Muster 16-GKV-Rezepten. Und auch Muster 16-GKV-Rezepte werden leider immer professioneller gefälscht. Indizien für Fälschungen können z. B. sein:

  • verschiedene Schriftarten auf demselben Rezept
  • unübliche Begriffe (z.B. Schachtel)
  • Rechtschreib- oder Formfehler z.B. bei Arzt-, Kostenträger-, Betriebsstättennummer, Geburtsjahr.

Besondere Vorsicht ist bei auffälligen oder sehr teuren Arzneimitteln auch dann geboten, wenn

  •  der Patient und der Arzt Ihnen vollkommen unbekannt sind
  •  Rezepte als „dringend sofort benötigt“ zu einem Zeitpunkt vorgelegt werden, zu dem der Arzt nicht erreichbar ist (z.B. Samstag oder Mittwochnachmittag).

Was mache ich, wenn ich erkenne, dass mir ein gefälschtes Rezept vorgelegt wird?

Ein gefälschtes Rezept darf nicht beliefert werden, weil es keine gültige Verordnung ist. Dies gilt unabhängig davon, ob es ein Kassen- oder Privatrezept ist. Zudem regelt § 17 Abs. 8 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), dass das pharmazeutische Personal einem erkennbaren Missbrauch in geeigneter Weise entgegen treten muss bzw. bei begründetem Verdacht auf Missbrauch die Abgabe verweigern muss. Ist der Abgebende nicht sicher, hat aber Bedenken, die sich erstmal nicht aufklären lassen, darf er nach § 17 Abs. 5 ApBetrO ebenfalls die Abgabe verweigern.

Darf ich mit dem (angeblich) verordnenden Arzt Rücksprache halten?

Konkrete Fragen zu einer vorgelegten Verordnung dürfen selbstverständlich mit dem verordnenden Arzt besprochen werden. § 17 Abs. 5 ApBetrO fordert sogar, dass Bedenken ausgeräumt werden, bevor das Arzneimittel abgegeben wird. Sofern Sie den Arzt nicht erreichen und Ihre Bedenken nicht anderweitig ausräumen können, bleibt es dabei: Das Rezept darf nicht beliefert werden. Sollte sich erst nach der Abgabe herausstellen, dass es sich um eine Fälschung handelt, dürfen Sie das Rezept nicht gegenüber der Krankenkasse abrechnen, da Sie sich ansonsten eines Abrechnungsbetruges schuldig machen können.

Muss ich Anzeige bei der Polizei erstatten? 

Eine Pflicht zur Erstattung einer Strafanzeige besteht grundsätzlich nicht. 

Darf ich den Vorfall zur Anzeige bringen?

Auch wenn der Apotheker die Rezeptfälschung grundsätzlich nicht anzeigen muss, bleibt die Frage, ob er den Vorfall zur Anzeige bringen darf. Hierbei ist insbesondere die Schweigepflicht des Apothekers in den Blick zu nehmen. Die Frage ist, ob eine Anzeige bei der Polizei einen Verstoß hiergegen darstellt.

Der Apotheker unterliegt der Schweigepflicht. Diese umfasst alle im Zusammenhang mit der Berufsausübung als Apotheker erlangten Umstände und Kenntnisse und damit auch solche, die im Zusammenhang mit einer Straftat bekannt geworden sind. Auch gefälschte oder manipulierte Daten unterliegen der Schweigepflicht. Der Verdacht einer strafrechtlichen Handlung führt nicht zum Wegfall derselben.

Bei einem Verstoß gegen die Schweigepflicht macht sich der Apotheker strafbar. Denn gemäß § 203 Absatz 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zum einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer

unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als Arzt  Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker (……) anvertraut oder sonst bekannt geworden ist.

Zudem stellt die Verletzung der Schweigepflicht einen Verstoß gegen § 10 Absatz 1 Satz 1 Berufsordnung der Apothekerkammer Berlin dar. Vor dem Hintergrund dieser nicht unerheblichen Folgen sollte in keinem Fall wahllos jede Rezeptfälschung angezeigt werden. Ob eine Rezeptfälschung zur Anzeige gebracht wird, ist genau abzuwägen. 

Als Faustregel gilt:

Wurde das Arzneimittel nicht abgegeben, darf der Apotheker potentielle Rezeptbetrüger nicht melden.

Wurde das Medikament jedoch bereits herausgegeben, kann sich dies in bestimmten Fallkonstellationen und nach einer entsprechenden Rechtsgüterabwägung anders darstellen:

1. So kann nach einer entsprechenden Rechtsgüterabwägung die Erstattung einer Anzeige für den Apotheker straffrei möglich sein, wenn das Arzneimittel auf der Grundlage des gefälschten Rezeptes abgegeben wurde und der Apotheke hierdurch ein Schaden entstanden ist, z.B. durch Retaxation durch die Krankenkasse. Dieser Schaden darf jedoch nicht nur geringfügig sein, wobei bei GKV-Rezepten in der Regel nicht von einem nur geringfügigen Schaden auszugehen ist. Anders sieht es hingegen bei PKV-Rezepten aus. Denn bei diesen ist die Bezahlung bereits erfolgt, bevor sie vom Patienten zur Erstattung an die Kasse geschickt wird. Ein Schaden ist bei der Apotheke dann nicht eingetreten. 

2. Auch wenn das Medikament aufgrund des gefälschten Rezeptes herausgegeben und eine Gefährdung von Leib, Leben und Gesundheit Dritter zu erwarten ist, kann dies dazu führen, dass das Persönlichkeitsrecht des „Kunden“ an der Geheimhaltung der Daten als nachrangig gegenüber den anderen schützenswerten Gütern (Leib, Leben und Gesundheit Dritter) betrachtet wird. Als Beispiel hierfür sind Fallkonstellationen zu nennen, in denen der „Patient“ erkennbar mit Arzneimitteln dealt oder sich infolge der Abgabe Arzneimittel mit stark enthemmender oder aggressionssteigender Wirkung im Umlauf befinden und dies zu einer erheblichen Gefährdung für Rechtsgüter der Allgemeinheit (Sicherheit im Straßenverkehr, Gewaltdelikte) führen kann. In diesen Fällen kann ein Bruch der Schweigepflicht gerechtfertigt sein.

Sofern Sie sich nach Abwägung der Rechtsgüter entschließen, Anzeige zu erstatten, raten wir dazu, das Vorgehen mit dem ggf. ebenfalls betroffenen Arzt abzustimmen. 

Wie kann ich Kollegen warnen?

Verständlicherweise möchten Apotheker und Apothekerinnen ihre Berufskollegen über gefälschte Rezepte informieren. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass keinesfalls das vorliegende potentiell gefälschte Rezept kopiert und verschickt werden darf. Hinweise, die sich auf allgemeine Merkmale beschränken, um welches Medikament es sich handelt oder woran die Fälschung zu erkennen ist, sind jedoch möglich. 

Informiert die Kammer über Rezeptfälschungen?

Die Apothekerkammer verbreitet keine Einzelmeldungen zu konkreten Rezeptfälschungen.

Aus folgenden Gründen beschränken wir uns bei unseren Veröffentlichungen auf die obigen allgemeinen Hinweise: Uns erreichen diverse konkrete Meldungen zu Rezeptfälschungen (oder mutmaßlichen Rezeptfälschungen) unterschiedlichster Art. Würden wir jedes Mal das Vorgehen und die Merkmale im Detail veröffentlichen, würde das einerseits sehr kleinteilig werden, andererseits bestünde die Gefahr, dass neue Fälschungsstrategien aus dem Fokus fallen. Zudem ist nicht gewährleistet, dass alle Apotheken unseren Newsletter „Kammer aktuell“ abonniert haben, und der Abonnentenkreis beschränkt sich auch nicht ausschließlich auf Apotheken.

Für den Empfängerkreis des Newsletters halten wir daher allgemein gehaltene Hinweise für besser, ebenso für unsere der Öffentlichkeit zugängliche Homepage.

AK Berlin, 27.04.2021

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