Verfallsdatum – Wie lange muss ein Arzneimittel bei der Abgabe noch haltbar sein?

Patienten wenden sich des Öfteren mit der Frage an die Apothekerkammer, wie lange ein Arzneimittel bei der Abgabe noch haltbar sein muss. Typische Fallkonstellation ist, dass das Haltbarkeitsdatum zwar noch nicht abgelaufen ist, aber in einem kurzen Zeitraum ablaufen wird. Dies sorgt mitunter für Unmut und mündet nicht selten in eine Beschwerde bei der Apothekerkammer.

Klar ist der Fall des Inverkehrbringens eines Arzneimittels, dessen Verfallsdatum bei der Abgabe bereits abgelaufen ist. Dies ist nach § 8 Abs. 3 AMG verboten und stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, § 97 Abs. 2 Nr. 1 AMG. Zu beachten ist, dass der Begriff des Inverkehrbringens in § 4 Abs. 17 AMG legal definiert ist und über die allgemeine Wortbedeutung im Sinne „von Abgabe an andere“ hinaus auch „das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten und das Feilbieten“ umfasst. Bei der Revision wird deshalb bereits das Vorhandensein eines verfallenen Arzneimittels im Bestand als Ordnungswidrigkeit geahndet.

Was gilt aber für den in der Praxis häufig auftretenden Fall, dass ein Arzneimittel abgegeben wird, dessen Verfallsdatum in zeitlicher Nähe zum Abgabedatum liegt? Das Verfallsdatum ist nach § 10 Abs. 7 AMG mit Monat und Jahr anzugeben. Das letzte mögliche Anwendungsdatum ist daher grundsätzlich der letzte Tag des angegebenen Monats. § 11 Abs. 1 Nr. 6 a AMG bestimmt, dass in der Packungsbeilage (Gebrauchsinformation) ein Hinweis auf das auf der Verpackung angegebene Verfallsdatum sowie eine Warnung davor enthalten sein muss, das Arzneimittel nach Ablauf dieses Datums nicht mehr anzuwenden. Daraus folgt, dass das Arzneimittel bei Abgabe an den Endverbraucher bei bestimmungsgemäßer Anwendung vor Ablauf des letzten Tages des im Verfallsdatum angegebenen Monats verbraucht ist bzw. werden kann. Darauf ist insbesondere bei Arzneimitteln zu achten, die zur längeren Anwendung bestimmt sind.

Tritt der Verfall bei bestimmungsgemäßem Verbrauch vor Ablauf des Verfallsdatums ein, so kann dies zivilrechtliche Folgen haben. Denn das Arzneimittel kann als mangelhaft im zivilrechtlichen Sinne angesehen werden, da es sich nicht zur gewöhnlichen Verwendung eignet und nicht eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann (sog. objektiver Fehlerbegriff, § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Der Käufer kann dann die Rechte aus § 437 BGB geltend machen und z.B. die Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen. Der Anspruch auf Nachlieferung einer mangelfreien Sache ist ohne weitere Voraussetzung nur bei OTC Arzneimitteln gegeben. Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist die Vorlage einer neuen ärztlichen Verordnung erforderlich. Im Rx-Fall darf die Nachlieferung also erst erfolgen, wenn die arzneimittelrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Für die Praxis ist die Frage spannend, wie der bestimmungsgemäße Haltbarkeitszeitraum zu berechnen ist. Grundsätzlich darf der Apotheker davon ausgehen, dass der Patient umgehend mit der Einnahme des Arzneimittels beginnt. Längere Zeiträume zwischen Erwerb und Beginn der Einnahme des Arzneimittels, insbesondere bei Bevorratung für die Hausapotheke, bleiben also außer Betracht. Jedoch wird man insbesondere Patienten mit chronischen Erkrankungen zugestehen müssen, dass sie sich in angemessenem Rahmen bevorraten, z.B. für längere Reisen oder sonstige Engpässe. Ein gewisser Planungsspielraum kann also erforderlich sein. Sachgerecht erscheint ein Zeitraum von maximal einem Monat seit der Abgabe und vor Beginn der Anwendung. Denn es wäre kaum zumutbar, den Patienten faktisch dazu zu zwingen, erst die vorhandenen Arzneimittel aufzubrauchen, bevor er sich neue besorgt. In diesen Fällen ist also bei der Berechnung der Haltbarkeit ein Hinzurechnungszeitraum von maximal einem Monat einzukalkulieren.

Verfallsdatum - So schützen Sie sich vor Nacherfüllungsansprüchen

Berechnung:

Verfallsdatum

minus bestimmungsgemäße Therapiedauer

minus 1 Monat Planungsspielraum

= spätestes Abgabedatum

AK Berlin 19.09.2018

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